Veröffentlicht am März 11, 2024

Produktionsstillstände durch Materialmangel sind kein Schicksal, sondern ein direktes Symptom von Prozessverschwendung, das nicht durch mehr Stapler, sondern durch intelligentere Abläufe gelöst wird.

  • Die Bündelung von Fahrten durch Routenzüge reduziert den internen Verkehr und erhöht die Vorhersagbarkeit.
  • Bedarfsgesteuerte Pull-Systeme wie Kanban verhindern teure Überbestände und Fehlteile am Montageband.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihren Wertstrom konsequent auf Verschwendung, bevor Sie in neue Transporttechnologie investieren. Die grössten Gewinne liegen in der Prozessoptimierung, nicht im Maschinenpark.

Jeder Produktionsleiter kennt das frustrierende Szenario: Ein teures Bearbeitungszentrum steht still, die Mitarbeiter warten, und der gesamte Takt der Fertigung gerät ins Stocken. Der Grund? Fehlendes Material. Die instinktive Reaktion ist oft, die Symptome zu bekämpfen: mehr Gabelstapler anschaffen, Pufferlager vergrößern oder hektische „Feuerwehreinsätze“ fahren. Doch diese Maßnahmen erhöhen nur die Komplexität, die Kosten und die versteckte Verschwendung in Ihren Prozessen. Der innerbetriebliche Materialfluss ist das Kreislaufsystem Ihrer Produktion. Wenn er stottert, leidet der gesamte Organismus.

Die gängige Annahme ist, dass Technologie die alleinige Lösung sei. Man spricht über Warehouse-Management-Systeme, RFID-Tracking und vollautomatisierte Lager. Diese Werkzeuge haben ihren Platz, doch sie sind wirkungslos, wenn der zugrunde liegende Prozess fehlerhaft ist. Die wahre Ursache für Wartezeiten ist nicht ein Mangel an Transportkapazität, sondern ein Übermaß an Verschwendung: unnötige Transporte, überflüssige Bewegungen der Mitarbeiter, zu hohe Bestände und eine unklare Prozessdefinition.

Aber was wäre, wenn der Schlüssel zur Eliminierung von Wartezeiten nicht in der Anschaffung neuer Technik, sondern in der radikalen Beseitigung dieser Verschwendung liegt? Dieser Artikel verfolgt einen konsequenten Lean-Management-Ansatz. Wir betrachten den Materialfluss nicht als logistische Notwendigkeit, sondern als Wertstrom, der systematisch optimiert werden muss. Es geht darum, eine präzise Orchestrierung von Menschen, Wegen und Materialien zu schaffen, die Stillstände von vornherein unmöglich macht. Wir werden konkrete Hebel analysieren – vom Routenzug über Kanban bis zur Arbeitsplatzgestaltung –, um die grundlegenden Ursachen für Wartezeiten zu identifizieren und dauerhaft zu beseitigen.

Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden Stellschrauben zur Optimierung Ihres innerbetrieblichen Materialflusses. Anhand praxiserprobter Methoden und klarer Analysen erfahren Sie, wie Sie einen robusten, effizienten und störungsfreien Versorgungsprozess für Ihre Produktion etablieren.

Wie ein Routenzug die Staplerfahrten in der Halle drastisch reduziert

Ein hoher Staplerverkehr in der Produktionshalle ist ein klares Indiz für einen ineffizienten Materialfluss. Jede einzelne Fahrt ist eine separate, unkoordinierte Bewegung, die zu Staus, Sicherheitsrisiken und unvorhersehbaren Ankunftszeiten führt. Dieses „Stapler-Chaos“ ist eine Form der Transportverschwendung. Die Lösung liegt in der Bündelung und Taktung. Ein Routenzug, auch „Logistikzug“ genannt, funktioniert wie eine Buslinie: Er fährt auf einer festen Route zu festen Zeiten und versorgt mehrere Stationen (Montageplätze) in einem einzigen Umlauf. Anstatt vieler kleiner, chaotischer Fahrten gibt es wenige, aber hochgradig koordinierte und planbare Touren.

Der Effekt ist enorm: Prozesse werden synchronisiert, die benötigten Teile treffen pünktlich im definierten Takt an der Linie ein, und der gesamte Verkehr in der Halle beruhigt sich. Studien und Praxisbeispiele belegen das Potenzial deutlich. So berichtet beispielsweise STILL von einer Transportreduzierung um bis zu 40% durch die Umstellung auf Routenzugsysteme. Dies reduziert nicht nur die Betriebskosten, sondern schafft vor allem eine verlässliche und stabile Versorgung – die Grundvoraussetzung zur Vermeidung von Wartezeiten. Selbst in hochmodernen Werken wird dieses Prinzip genutzt. BMW hat im Werk Dingolfing einen automatisierten Routenzug im Einsatz, der den Weg vom Lager zur Montagehalle autonom zurücklegt. Erst dort übernimmt ein Mitarbeiter die Feinverteilung, was die Effizienz des Systems mit der Flexibilität des Menschen kombiniert.

Die Implementierung eines solchen Systems erfordert jedoch eine sorgfältige Planung des Wertstroms, um die Routen, Haltestellen und Taktzeiten exakt auf den Produktionsbedarf abzustimmen. Es ist keine reine Technologie-Anschaffung, sondern eine prozessuale Neuausrichtung.

Ihr Aktionsplan zur Routenzug-Implementierung

  1. Analyse des Ist-Zustands: Erfassen Sie alle aktuellen Materialtransporte (Quellen, Ziele, Frequenzen) und identifizieren Sie die Hauptverkehrsadern und Engpässe.
  2. Routen- und Takt-Design: Entwickeln Sie auf Basis der Produktionsanforderungen optimierte, feste Routen und definieren Sie eine Taktzeit, die eine zuverlässige Versorgung sicherstellt.
  3. Systemauswahl: Wählen Sie das passende Routenzug-System (Schlepper, Anhängertyp) basierend auf Lasten, Wegen und Umgebungsbedingungen aus.
  4. Prozessintegration: Schulen Sie die Mitarbeiter und integrieren Sie die neuen An- und Abkopplungsprozesse fest in die Arbeitsabläufe der Montage und Logistik.
  5. KPI-Überwachung: Messen Sie die Performance kontinuierlich (z.B. Pünktlichkeit, Auslastung) und passen Sie Routen oder Taktzeiten bei Bedarfsänderungen an.

Kanban oder Push: Welches Prinzip füllt Ihre Montagebänder zuverlässiger?

Das Material wird dann zur Verfügung gestellt, wenn es gebraucht wird. Es wird nicht mehr in festen Losen, sondern entsprechend der Kundenbestellungen gefertigt.

– wlw.de Inside Business, Materialfluss Ratgeber

Hinter jedem leeren Behälter am Montageplatz steht eine fundamentale Frage der Steuerung: Wird Material „gedrückt“ (Push) oder „gezogen“ (Pull)? Beim klassischen Push-Prinzip wird Material auf Basis von Prognosen und Produktionsplänen in die Fertigung geschoben. Das Problem: Prognosen sind ungenau. Das Ergebnis sind oft hohe Pufferbestände, die Kapital binden, oder – noch schlimmer – es fehlt das falsche Teil zur falschen Zeit, während das Lager voll mit unbenötigtem Material ist. Dies ist die Verschwendung von Überproduktion und Beständen.

Das Kanban-System, eine Kernmethode des Lean Managements, dreht dieses Prinzip um. Es ist ein Pull-System, das ausschließlich auf den tatsächlichen Verbrauch reagiert. Ein leerer Materialbehälter an der Montagelinie ist hier kein Problem, sondern das Signal (die „Kanban-Karte“), das den Nachschubprozess auslöst. Erst wenn Material verbraucht wird, wird eine exakt definierte Menge nachgeliefert. Dadurch werden die Bestände im Umlauf drastisch reduziert und die Versorgung präzise am Bedarf ausgerichtet. Die Gefahr, dass das falsche Material die Linie blockiert, sinkt auf ein Minimum.

Digitales Kanban-Board mit RFID-Sensoren in moderner Produktionshalle

Die Wahl des richtigen Systems hängt stark von der Produktionsumgebung ab. Während Push-Systeme bei hochkomplexen Produkten mit stark schwankender Nachfrage eine Berechtigung haben können, ist Kanban für standardisierte Prozesse mit relativ stabilem Bedarf die weitaus überlegene Methode zur Vermeidung von Wartezeiten. Es schafft einen selbstregulierenden, visualisierten und robusten Materialfluss.

Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zusammen und hilft Ihnen bei der Einordnung Ihres eigenen Systems, wie es auch eine detaillierte Analyse des Lean Managements zeigt.

Vergleich: Kanban vs. Push-System im Materialfluss
Kriterium Kanban (Pull) Push-System
Materialbereitstellung Bedarfsgesteuert durch Signalkarten Prognosebasiert nach Produktionsplan
Lagerbestände Minimal, Just-in-Time Höher, Pufferlager erforderlich
Flexibilität Hoch, reagiert auf tatsächlichen Verbrauch Niedrig, folgt festem Plan
Eignung Standardisierte Produkte, stabiler Bedarf Komplexe Produkte, schwankende Nachfrage
Kapitalbindung Gering Hoch

Wohin mit dem Verpackungsmüll: Konzepte für saubere Arbeitsplätze

Ein oft übersehener Störfaktor im Materialfluss ist die Entsorgung. Leere Kartons, Folienreste und Paletten, die sich an den Arbeitsplätzen stapeln, sind nicht nur ein ästhetisches Problem. Sie sind eine Form der Verschwendung, die direkt zu Wartezeiten führen kann: Mitarbeiter müssen Hindernisse umlaufen, suchen nach Entsorgungsbehältern oder müssen ihre eigentliche wertschöpfende Tätigkeit unterbrechen, um aufzuräumen. Ein unorganisierter Arbeitsplatz führt zu ineffizienten Bewegungen und Suchzeiten.

Ein sauberer und organisierter Arbeitsplatz ist die Basis für jeden stabilen Prozess. Die 5S-Methodik aus dem Lean Management bietet hierfür einen systematischen und nachhaltigen Ansatz. Es geht nicht um einmaliges Aufräumen, sondern um die Etablierung von Standards, die Unordnung von vornherein verhindern. Die fünf Schritte – Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu, Shitsuke – schaffen eine Umgebung, in der jedes Ding seinen festen Platz hat und Abweichungen vom Standard sofort sichtbar werden.

Angewendet auf Verpackungsmaterial bedeutet das konkret: Definieren Sie feste, ergonomisch sinnvolle Plätze für leere Behälter und Entsorgungsmaterialien. Nutzen Sie standardisierte, farblich markierte Container für verschiedene Abfallarten (z.B. Pappe, Folie, Restmüll). Integrieren Sie die Entsorgung als festen Bestandteil in den Arbeitstakt, anstatt sie dem Zufall zu überlassen. Ein Mitarbeiter, der genau weiß, wohin er mit einem leeren Karton greifen muss, verliert keine Sekunde mit Suchen oder Umwegen. Diese gewonnene Zeit summiert sich über den Tag zu einer signifikanten Reduzierung von nicht-wertschöpfenden Tätigkeiten und trägt zur Prozessstabilität bei.

Wie Sie unnötige Laufwege Ihrer Mitarbeiter sichtbar machen und streichen

Die Verschwendung von Bewegung ist eine der subtilsten und zugleich kostspieligsten in der Produktion. Mitarbeiter, die weite Wege zwischen Lager, Maschine und Bereitstellzone zurücklegen, um an Material oder Werkzeug zu gelangen, verrichten keine wertschöpfende Arbeit. Diese Laufwege sind oft historisch gewachsen und werden als „normal“ hingenommen. Doch sie sind ein klares Symptom eines suboptimalen Layouts und einer mangelhaften Materialbereitstellung. Das Potenzial zur Optimierung ist hier gewaltig: Durch intelligente Layoutplanung lassen sich Wegstrecken oft um 20 bis 40 Prozent reduzieren.

Um diese Verschwendung zu bekämpfen, muss sie zuerst sichtbar gemacht werden. Ein klassisches und sehr wirkungsvolles Werkzeug des Lean Managements ist das Spaghetti-Diagramm. Dabei werden die tatsächlichen Laufwege eines Mitarbeiters während eines Arbeitsprozesses auf einem Hallenlayout nachgezeichnet. Das Ergebnis sieht oft aus wie ein Teller Spaghetti und enthüllt schonungslos die Ineffizienzen: Zick-Zack-Kurse, häufige Gänge zu weit entfernten Regalen und unlogische Prozessabfolgen.

Vogelperspektive auf Produktionshalle mit visualisierten Mitarbeiter-Bewegungsmustern

Basierend auf dieser Analyse können gezielte Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das Ziel ist es, die Wege zu begradigen und zu verkürzen. Typische Maßnahmen sind:

  • Optimierung des Layouts: Anordnung von Maschinen und Arbeitsplätzen entsprechend der Prozessreihenfolge (Flussfertigung).
  • Ergonomische Materialbereitstellung: Platzierung von häufig benötigtem Material direkt in Greifreichweite am Montageplatz (z.B. durch Schwerkraftregale).
  • Definition von Supermärkten: Einrichtung kleiner, dezentraler Materiallager in der Nähe der Verbrauchsorte, die regelmäßig aufgefüllt werden.

Jeder eingesparte Meter Laufweg ist ein direkter Gewinn an produktiver Zeit und reduziert die physische Belastung der Mitarbeiter. Es ist ein entscheidender Hebel, um Wartezeiten zu eliminieren, die durch das Warten auf den Mitarbeiter entstehen, der „mal eben was holen“ muss.

Welche 3 KPIs zeigen Ihnen sofort, ob Ihre Intralogistik gesund ist?

„Man kann nur managen, was man misst.“ Dieses Zitat ist im Kontext des Materialflusses von zentraler Bedeutung. Ohne objektive Kennzahlen (KPIs) agieren Sie im Blindflug. Sie können nicht beurteilen, ob Ihre Optimierungsmaßnahmen wirken, wo die größten Probleme liegen oder wie sich Ihre Intralogistik im Zeitverlauf entwickelt. Die Auswahl der richtigen KPIs ist entscheidend, um von einem reaktiven „Feuerlöschen“ zu einem proaktiven, datengesteuerten Management zu gelangen. Anstatt sich in einer Flut von Daten zu verlieren, sollten Sie sich auf wenige, aber aussagekräftige Kennzahlen konzentrieren.

Drei KPIs haben sich in der Praxis als besonders wirkungsvoll erwiesen, um den Zustand des innerbetrieblichen Materialflusses schnell und präzise zu bewerten. Sie beleuchten die drei entscheidenden Dimensionen: Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die regelmäßige Erhebung und Analyse dieser Zahlen gibt Ihnen ein klares Bild über die Leistungsfähigkeit Ihrer Prozesse und dient als Frühwarnsystem für drohende Störungen. Wenn die interne Liefertreue sinkt, ist das ein direkter Vorbote für mögliche Produktionsstopps.

Die folgende Übersicht, basierend auf einer Analyse der GFOS, zeigt die drei wichtigsten KPIs, ihre Bedeutung und wie sie gemessen werden, um Ihnen ein robustes Cockpit für Ihre Intralogistik zu geben.

Die 3 wichtigsten KPIs für eine gesunde Intralogistik
KPI Bedeutung Zielwert Messung
Interne Liefertreue (OTIF) Frühwarnindikator für Produktionsstopps > 95% Richtige Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Dock-to-Dock-Zeit Effizienzindikator für Durchlaufzeit Branchenabhängig Gesamtzeit vom Wareneingang bis Versand
Kosten pro Bewegung Wirtschaftlichkeitsindikator Kontinuierliche Senkung Gesamtlogistikkosten / Anzahl Bewegungen

Je besser der Materialfluss in der Produktion organisiert ist, desto präziser können Mitarbeiter und Maschinen eingesetzt werden. Eine hohe Auslastung ohne teure Überstunden steigert direkt die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des Betriebs. Diese KPIs machen diesen Zusammenhang messbar.

Wann rechnen sich FTS (Fahrerlose Transportsysteme) statt manueller Stapler?

Die Automatisierung des Materialtransports durch Fahrerlose Transportsysteme (FTS), oft auch als AGVs (Automated Guided Vehicles) bezeichnet, ist ein intensiv diskutiertes Thema. Die Vorstellung, Stapler durch autonome Roboter zu ersetzen, ist verlockend. Doch die Entscheidung für oder gegen FTS darf keine reine Technologiebegeisterung sein, sondern muss auf einer kühlen Wirtschaftlichkeits- und Prozessanalyse basieren. Ein FTS ist nicht per se besser als ein manueller Stapler – es ist eine Lösung für spezifische Anforderungsprofile.

Ein FTS rechnet sich vor allem dort, wo es um standardisierte, repetitive und planbare Transportaufgaben geht. Die größten Vorteile spielen sie bei folgenden Kriterien aus:

  • Hohes Transportaufkommen: Regelmäßige, wiederkehrende Fahrten auf gleichen Strecken sind ideal für eine Automatisierung.
  • Lange Transportwege: Je weiter die Strecke, desto größer die Einsparung an Personalkosten für die reine Fahrtzeit.
  • Mehrschichtbetrieb: Ein FTS kann 24/7 ohne Pausen, Schichtwechsel oder zusätzliche Personalkosten arbeiten. Die Amortisationszeit verkürzt sich drastisch.
  • Hohe Sicherheitsanforderungen: FTS agieren mit Sensoren und Scannern extrem präzise und reduzieren das Risiko von menschlichem Versagen und Betriebsunfällen.

Unter diesen Bedingungen können die Lebenszykluskosten eines FTS-Systems deutlich unter denen eines mannsgebundenen Staplers liegen. Eine Analyse von atres.pl legt nahe, dass über eine fünfjährige Lebensdauer ein FTS-basiertes System bis zu 5-mal günstiger sein kann als traditionelle Staplertransporte. Dennoch ist ein kompletter Ersatz unrealistisch. Selbst BMW, ein Vorreiter mit seinem „Smart Transport Robot“, sieht FTS eher als Ergänzung denn als kompletten Ersatz für Stapler, da diese für flexible und unvorhergesehene Aufgaben weiterhin überlegen sind. Die Investition lohnt sich also nicht, um chaotische Prozesse zu automatisieren, sondern um bereits standardisierte und optimierte Prozesse wirtschaftlicher zu gestalten.

Bodenmarkierung oder Barriere: Was schützt Fußgänger wirklich vor dem Gabelstapler?

Ein effizienter Materialfluss darf niemals auf Kosten der Sicherheit gehen. Die Kollision von Gabelstaplern mit Mitarbeitern gehört zu den häufigsten und schwersten Betriebsunfällen. Die Ursache ist oft eine unklare oder fehlende Trennung von Fahr- und Gehwegen. Dies führt zu einer gefährlichen Vermischung der Verkehrsarten und ist eine direkte Folge eines ungeplanten, chaotischen Materialflusses. Die Frage ist also nicht nur, wie wir schützen, sondern wie wir gefährliche Begegnungen von vornherein vermeiden.

Die einfachste Schutzmaßnahme sind Bodenmarkierungen. Sie sind schnell angebracht und kostengünstig. Ihr Nachteil: Sie bieten nur einen visuellen Hinweis und keinerlei physischen Schutz. Sie verlassen sich vollständig auf die Disziplin und Aufmerksamkeit von Fahrern und Fußgängern. In hochfrequentierten oder unübersichtlichen Bereichen ist das oft nicht ausreichend.

Ein deutlich höheres Schutzniveau bieten physische Barrieren wie Leitplanken, Poller oder Schutzgeländer. Sie schaffen eine unmissverständliche, räumliche Trennung und verhindern wirksam, dass ein Fußgänger achtlos auf eine Fahrbahn tritt oder ein Stapler in einen Gehweg gerät. Ihre Installation ist aufwendiger, aber in kritischen Zonen wie an unübersichtlichen Kreuzungen, Ausgängen oder entlang stark befahrener Hauptrouten sind sie unerlässlich für ein robustes Sicherheitskonzept.

Der effektivste Ansatz ist jedoch die Reduzierung des Verkehrsaufkommens selbst. Wie von STILL Deutschland hervorgehoben wird, bedeutet ein einzelner Routenzug auf einer festen Strecke signifikant mehr Sicherheit als mehrere, unkoordiniert kreuzende Einzelfahrzeuge. Ein geordneter, getakteter und verkehrsberuhigter Materialfluss ist somit der beste Unfallschutz, da er die Anzahl potenziell gefährlicher Interaktionen minimiert. Die Sicherheitsfrage ist demnach untrennbar mit der Prozessgestaltung verbunden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Verschwendung als Ursache: Wartezeiten sind kein Transport-, sondern ein Prozessproblem. Identifizieren und eliminieren Sie die 7 Arten der Verschwendung (Muda).
  • Bündeln statt streuen: Konsolidieren Sie Transporte mit getakteten Routenzügen, um den Verkehr zu beruhigen und die Versorgung zu stabilisieren.
  • Ziehen statt drücken: Implementieren Sie Pull-Systeme wie Kanban, um Bestände zu minimieren und die Produktion bedarfsgerecht zu versorgen.

Lohnt sich die Investition in ein AutoStore-System für Ihren Mittelstand?

Hochautomatisierte Lagersysteme wie AutoStore versprechen eine extreme Flächen- und Effizienzsteigerung. Roboter bewegen Behälter in einem dichten Aluminiumraster, was eine unerreichte Lagerdichte ermöglicht. Für den Mittelstand stellt sich jedoch die kritische Frage: Ist eine solche High-End-Investition der richtige Schritt, oder handelt es sich um eine Überdimensionierung, die Kapital unnötig bindet? Die Antwort liegt, wie immer im Lean Management, in einer vorgelagerten, ehrlichen Analyse der eigenen Prozesse und Bedarfe.

Ein AutoStore-System ist keine Universallösung. Es ist eine exzellente Antwort auf spezifische Herausforderungen, insbesondere bei hoher Artikelvielfalt (Long-Tail), begrenzter Lagerfläche und hohem Kommissionieraufkommen bei kleinteiligen Gütern. Bevor Sie jedoch über eine solche Investition nachdenken, müssen Sie Ihre Hausaufgaben machen. Die Implementierung von Lean-Methoden in bestehenden Prozessen kann bereits erhebliche Effekte erzielen. So lässt sich laut einer Studie durch Lean Production eine Produktivitätssteigerung von bis zu 25% erreichen – oft mit weitaus geringerem Kapitaleinsatz.

Eine Investitionsentscheidung muss daher auf harten Fakten basieren. Führen Sie eine gründliche Analyse anhand folgender Kriterien durch:

  • Flächennutzung: Wie hoch ist die Auslastung Ihrer aktuellen Lagerfläche? Ist eine Verdichtung wirklich der größte Hebel?
  • Artikelrotation: Analysieren Sie Ihre A-, B- und C-Artikel. Profitieren Ihre Schnelldreher von einem solchen System oder nur die langsam drehenden C-Teile?
  • Kommissionierleistung und -fehler: Messen Sie Ihre aktuellen Picks pro Stunde und Ihre Fehlerquote. Setzen Sie diese Werte ins Verhältnis zu den versprochenen Leistungsdaten des Systems und den Investitionskosten.
  • ROI-Berechnung: Stellen Sie die hohen Investitionskosten den erwarteten Einsparungen bei Personal, Fläche und Fehlerreduktion über einen Zeitraum von 5-7 Jahren gegenüber.

Für viele mittelständische Unternehmen ist der erste und wichtigste Schritt nicht die Anschaffung eines vollautomatischen Systems, sondern die konsequente Optimierung des bestehenden Materialflusses. Erst wenn diese Potenziale ausgeschöpft sind und der Engpass nachweislich in der Lager- und Kommissionierleistung liegt, wird eine Investition in ein System wie AutoStore zu einer strategisch klugen Entscheidung.

Bewerten Sie jetzt, welche dieser Strategien den größten Hebel zur Beseitigung von Verschwendung in Ihrem spezifischen Produktionsumfeld darstellt, und beginnen Sie mit der Umsetzung für einen störungsfreien Materialfluss.

Geschrieben von Markus Dr. Markus Weber, Senior Supply Chain Strategist und Dozent für Logistikmanagement mit über 15 Jahren Erfahrung in der Optimierung globaler Lieferketten. Spezialisiert auf Risikomanagement, LkSG-Compliance und Just-in-Time-Prozesse in der Automobil- und Fertigungsindustrie.