Veröffentlicht am Mai 20, 2024

Die TAPA FSR-Zertifizierung ist keine Checkliste, sondern eine strategische Neuausrichtung Ihrer gesamten Sicherheitskultur zur systematischen Eliminierung von Risiken.

  • Physische Barrieren sind nur wirksam, wenn sie durch lückenlose Prozesse und geschultes Personal gestützt werden.
  • Jeder Aspekt, von der Beleuchtung bis zur IT-Sicherheit der Klimaanlage, stellt einen potenziellen Angriffsvektor dar.

Empfehlung: Betrachten Sie die TAPA-Anforderungen nicht als Kostenfaktor, sondern als operative Investition zur Qualifizierung für High-Value-Kunden und zur Minimierung des Restrisikos.

Die Zertifizierung nach den Facility Security Requirements (FSR) der Transported Asset Protection Association (TAPA) ist für Logistikdienstleister, die im High-Tech- oder Pharmasektor agieren, längst kein optionales Gütesiegel mehr. Sie ist eine zwingende Voraussetzung. Viele Unternehmen betrachten den Weg zur Zertifizierung jedoch fälschlicherweise als das Abarbeiten einer langen und kostspieligen Checkliste: ein höherer Zaun hier, eine neue Kamera dort. Dieser Ansatz ist nicht nur ineffizient, er ist gefährlich, weil er ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugt.

Die gängige Praxis, Sicherheitstechnologie als Allheilmittel zu betrachten, ignoriert die fundamentalen Schwachstellen: Prozesse und Menschen. Ein biometrischer Scanner ist nutzlos, wenn die Prozesse zur Rechtevergabe mangelhaft sind. Eine hochauflösende Kamera ist wertlos, wenn tote Winkel bestehen bleiben oder das Personal nicht auf Anomalien reagiert. Der Schaden durch solche Versäumnisse ist immens. Allein in Deutschland entstehen durch Ladungsdiebstahl massive finanzielle Verluste, die die Notwendigkeit eines Umdenkens unterstreichen.

Dieser Leitfaden bricht mit der reinen Anforderungsliste. Aus der Perspektive eines Auditors zeige ich Ihnen, wie Sie die TAPA FSR als das verstehen, was sie ist: eine operative Denkweise zur systematischen Eliminierung von Schwachstellen. Wir werden jeden potenziellen Angriffsvektor – vom Perimeterschutz über digitale Einfallstore bis hin zum menschlichen Faktor – analysieren. Es geht nicht darum, Anforderungen zu erfüllen, sondern darum, Risiken zu beherrschen. Nur so wird Ihr Lager zu einer Festung, die das Vertrauen Ihrer anspruchsvollsten Kunden verdient. Die Zertifizierung ist dann nicht das Ziel, sondern das logische Ergebnis einer gelebten Sicherheitskultur.

Dieser Artikel führt Sie durch die kritischsten Bereiche, die bei einem TAPA-Audit im Fokus stehen. Sie lernen, die Denkweise eines Angreifers zu adaptieren, um Schwachstellen zu identifizieren, bevor sie ausgenutzt werden können. Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die zu meisternden Herausforderungen.

Welche Zaunhöhe und Unterkriechschutz fordert die Versicherung?

Der Perimeterschutz ist die erste Verteidigungslinie und wird bei Audits mit unnachgiebiger Strenge geprüft. Es geht hier nicht um eine Empfehlung, sondern um eine harte Anforderung, die oft von Versicherern vorgegeben wird, um das immense Risiko zu decken. Laut Branchenexperten werden jährlich Waren im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro allein in Deutschland gestohlen. Ein Standard-Maschendrahtzaun stellt für organisierte Kriminalität keine Hürde dar.

Für eine TAPA FSR-Zertifizierung, insbesondere für die Level A und B, sind die Anforderungen exakt definiert. Ein Zaun muss eine Mindesthöhe von 2,4 Metern aufweisen und aus robusten Materialien wie Stabgittermatten bestehen. Noch entscheidender ist jedoch der Schutz vor Unterkriechen und Übersteigen. Der Zaun muss entweder mindestens 30 cm tief im Boden verankert oder mit einem Bodengitter (Unterkriechschutz) versehen sein, das ein Durchgraben verhindert. Am oberen Ende ist ein Übersteigschutz, beispielsweise durch abgewinkelte Ausleger mit Stacheldraht oder Spanndrähten, zwingend erforderlich.

Hochsicherheitszaun mit Unterkriechschutz und Überwachungssystemen nach TAPA FSR

Diese physischen Barrieren sind jedoch nur die halbe Miete. Sie müssen durch elektronische Systeme ergänzt werden. Ein Perimeter Intrusion Detection System (PIDS), wie Zaunsensoren, die auf Vibrationen oder Kletterversuche reagieren, oder bodengestützte Radarsysteme, ist für hohe Sicherheitslevel unerlässlich. Jeder Alarm muss sofort eine Reaktion auslösen, sei es die automatische Schwenkung einer PTZ-Kamera auf den betroffenen Sektor oder eine direkte Meldung an den Sicherheitsdienst. Ein Zaun, dessen Alarm ignoriert wird, ist nur eine teure Dekoration.

Wie verhindern Sie, dass sich LKW-Fahrer frei im Lager bewegen?

Jede externe Person auf Ihrem Gelände ist ein potenzieller Angriffsvektor. LKW-Fahrer sind dabei eine besondere Herausforderung: Sie benötigen Zugang zu Laderampen, aber dürfen unter keinen Umständen unkontrollierten Zutritt zu Lagerbereichen, Büros oder Sozialräumen haben. Eine klare und physisch durchgesetzte Trennung ist für eine TAPA-Zertifizierung unabdingbar. Das Ziel ist die strikte Kanalisierung aller externen Bewegungen.

Die einfachste Form der Kontrolle, die manuelle Registrierung am Tor, ist für den Schutz von hochwertigen Gütern völlig unzureichend. Moderne Logistikzentren müssen auf digitale Systeme setzen, die den gesamten Prozess steuern – von der Ankunft bis zur Abfahrt. Dies beginnt mit einer Vorab-Anmeldung des Fahrers und des Fahrzeugs über ein Online-Portal. Bei Ankunft erfolgt die Identitätsprüfung an einem separaten Check-in-Schalter oder einem Terminal, idealerweise außerhalb des Hauptgebäudes. Der Fahrer erhält daraufhin eine Zugangsberechtigung, die ihm nur den Weg zur zugewiesenen Laderampe und zu einem dedizierten, gesicherten Wartebereich für Fahrer erlaubt.

Fallstudie: Digitale Fahrerführung bei Helveticor (TAPA FSR Level A)

Als Teil seiner FSR Level A Zertifizierung implementierte der Logistikdienstleister Helveticor ein umfassendes Zugangskontrollsystem. LKW-Fahrer registrieren sich digital und erhalten nur Zugang zu klar definierten und videoüberwachten Wartezonen, die mit sanitären Einrichtungen und WLAN ausgestattet sind. Der Zugang zu den Laderampen und dem Lager ist strikt getrennt und wird durch Schleusen kontrolliert. Dieses System dokumentiert jede Bewegung und minimierte das Restrisiko von Diebstahl und unbefugtem Zugriff signifikant, was eine entscheidende Anforderung für ihre High-Value-Kunden war.

Die verschiedenen TAPA-Sicherheitsstufen definieren klare Mindestanforderungen an die Kontrolle und Überwachung von Fahrern, die für ein erfolgreiches Audit erfüllt sein müssen.

Vergleich von Zugangskontrollen für Fahrer nach TAPA-Sicherheitsstufen
Sicherheitsstufe Zugangskontrolle Überwachung Wartebereiche
FSR Level A Vollständige digitale Registrierung mit biometrischer Verifikation Lückenlose CCTV-Überwachung aller Bereiche Gesicherte Wartezonen mit Zugang zu Sanitär und WLAN
FSR Level B Digitale Registrierung mit Chipkarte oder QR-Code CCTV an kritischen Punkten Definierte Wartebereiche mit Grundausstattung
FSR Level C Manuelle oder digitale Basisregistrierung Mindestüberwachung der Ein-/Ausgänge Ausgewiesene Parkzonen

Warum dunkle Ecken auf dem Hof Ihre Zertifizierung gefährden

Ein TAPA-Auditor betrachtet Ihr Gelände mit den Augen eines potenziellen Angreifers. Jede unzureichend beleuchtete Zone – sei es hinter einem Stapel Paletten, zwischen geparkten Aufliegern oder an der Rückseite des Gebäudes – ist eine Einladung. Dunkelheit bietet Deckung für Sabotage, Diebstahlvorbereitung oder unbemerkten Zutritt. Eine lückenlose und normgerechte Ausleuchtung des gesamten Perimeters, aller Ladezonen, Parkplätze und Fußwege ist daher keine Empfehlung, sondern eine zwingende Anforderung.

Die Beleuchtung dient dabei nicht nur der Abschreckung und der Unterstützung der Videoüberwachung. Sie ist auch ein entscheidender Faktor für die Arbeitssicherheit. Schlecht beleuchtete Bereiche sind eine häufige Ursache für Unfälle. So zeigen Statistiken, dass durch bauliche Mängel wie unzureichend ausgeleuchtete Verkehrswege erhebliche Unfallzahlen entstehen. Allein die DGUV verzeichnete für 2023 117.022 meldepflichtige Unfälle, die auf Mängel an baulichen Anlagen auf ebenem Niveau zurückzuführen sind. Ein sicheres Lager ist auch ein gut beleuchtetes Lager.

Die Anforderung geht über bloße Helligkeit hinaus. Die Beleuchtung muss intelligent und redundant sein. Das bedeutet, dass sie durch Bewegungsmelder aktiviert werden kann, um Aufmerksamkeit auf Aktivitäten zu lenken und Energie zu sparen. Gleichzeitig muss eine Grundbeleuchtung permanent aktiv sein, um die Funktion der Videoüberwachung auch nachts sicherzustellen. Der Ausfall einer einzelnen Leuchte darf keinen dunklen Sektor erzeugen; eine überlappende Ausleuchtung ist erforderlich. Moderne LED-Systeme mit Notstromversorgung sind hier der Standard. Technologie allein reicht jedoch nicht aus, wie Experten betonen.

Die Balance zwischen Technologie und Menschen ist wichtig in allen unseren Standards, daher bleiben definierte Verfahren, Schulungen und Richtlinien neben Technologien weiterhin essentiell, wenn es um die Risikominderung in der Lieferkette geht.

– Herr Neumann, TAPA Standards Board, in einem Interview mit DQS

Das bedeutet konkret: Ihr Personal muss geschult sein, defekte Leuchten umgehend zu melden, und es muss ein Prozess für den schnellen Austausch etabliert sein. Ein Lichtkonzept, das nicht gewartet wird, gefährdet Ihre Zertifizierung ebenso wie ein dunkler Hof.

Biometrie oder Chipkarte: Was ist sicherer als der Generalschlüssel?

Der klassische mechanische Generalschlüssel ist in einem Hochsicherheitslager ein Relikt aus der Vergangenheit und ein inakzeptables Risiko. Er ist kopierbar, nicht protokollierbar und bei Verlust ein Sicherheits-GAU. Für eine TAPA FSR-Zertifizierung ist ein elektronisches, protokollierbares und personengebundenes Zugangskontrollsystem zwingend erforderlich. Die Wahl der Technologie – ob Chipkarte oder Biometrie – hängt von der geforderten Sicherheitsstufe (FSR Level A, B oder C) und der spezifischen Risikobewertung ab.

RFID-Chipkarten sind weit verbreitet, aber nicht alle sind gleich sicher. Ältere Technologien wie Mifare Classic sind bekanntermaßen klonbar und für Hochsicherheitsbereiche ungeeignet. Moderne Standards wie DESFire EV3 bieten eine hohe Verschlüsselung und gelten als sicher. Die höchste Sicherheitsstufe wird jedoch durch Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) erreicht. Dies bedeutet die Kombination von zwei oder mehr Faktoren, zum Beispiel: Besitz (Chipkarte), Wissen (PIN-Code) und Sein (biometrisches Merkmal wie Fingerabdruck oder Iris-Scan). Für TAPA FSR Level A ist MFA für den Zugang zu den sensibelsten Bereichen oft eine Grundvoraussetzung.

Die folgende Übersicht vergleicht die Sicherheit verschiedener Technologien und gibt eine klare Orientierung für die Auswahl des passenden Systems, um die Audit-Anforderungen zu erfüllen.

Sicherheitsvergleich verschiedener Zugangskontrollsysteme
Technologie Sicherheitslevel Schwachstellen TAPA-Empfehlung
Mechanischer Schlüssel Niedrig Kopierbar, verlierbar, keine Protokollierung Nicht empfohlen für FSR A/B
RFID Chipkarte (Mifare Classic) Mittel Klonrisiko bei älteren Standards Nur mit Verschlüsselung akzeptabel
RFID DESFire EV3 Hoch Geringes Klonrisiko Empfohlen für alle FSR-Level
Biometrie einzeln Hoch Spoofing-Risiko, DSGVO-Herausforderungen Als Einzelfaktor für FSR C ausreichend
Multi-Faktor (Karte + PIN/Biometrie) Sehr hoch Minimale Schwachstellen Erforderlich für FSR A

Die beste Technologie ist jedoch wertlos ohne ein rigoroses Management der Zugriffsrechte. Ein Auditor wird nicht nur den Scanner an der Tür prüfen, sondern den gesamten Lebenszyklus einer Zugangsberechtigung – von der Erteilung bis zum Entzug.

Ihr Aktionsplan: Sicheres Lifecycle-Management für Zugangsdaten

  1. Zentrales System etablieren: Führen Sie ein zentrales Identity Management System (IDM) ein, das direkt an Ihre HR-Prozesse angebunden ist.
  2. Onboarding-Prozesse definieren: Implementieren Sie klare Prozesse für die Rechtevergabe bei Neueinstellungen, inklusive Hintergrundprüfungen für sicherheitskritische Bereiche.
  3. Automatische Sperrung sicherstellen: Stellen Sie sicher, dass die Zugriffsrechte eines Mitarbeiters bei Austritt automatisch, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden, gesperrt werden.
  4. Regelmäßige Rechteprüfung durchführen: Führen Sie vierteljährlich einen „Access Review“ durch, bei dem alle vergebenen Zugriffsrechte von den jeweiligen Vorgesetzten bestätigt werden müssen.
  5. Prozesse für Verlust definieren: Etablieren Sie einen sofortigen Sperrprozess für den Fall, dass ein Zugangsmittel (z.B. eine Chipkarte) als verloren oder gestohlen gemeldet wird.

Wie verhindern Sie, dass Hacker über die Klimaanlage ins Netzwerk kommen?

In modernen Logistikzentren konvergieren Informationstechnologie (IT) und Betriebstechnologie (OT). Während das IT-Netzwerk (Büro-PCs, Server) oft gut geschützt ist, wird die Sicherheit der OT-Systeme – also der vernetzten Gebäudetechnik – sträflich vernachlässigt. Klimaanlagen, intelligente Beleuchtungssteuerungen, IP-Kameras oder Ladesysteme für Elektrostapler sind oft unsichere, aber mit dem Netzwerk verbundene Geräte. Für einen Hacker stellen sie ein ideales Einfallstor dar. Ein erfolgreicher Angriff auf die Klimaanlage kann nicht nur zur Sabotage der Lagerbedingungen führen, sondern auch als Sprungbrett in Ihr zentrales Unternehmensnetzwerk dienen.

Ein TAPA-Audit prüft daher explizit die Trennung und Absicherung dieser Netzwerke. Die goldene Regel lautet: IT und OT müssen in strikt getrennten Netzwerksegmenten betrieben werden. Dies wird technisch durch VLANs (Virtual Local Area Networks) und rigide Firewall-Regeln erreicht. Die Kommunikation zwischen dem OT-Netzwerk und dem IT-Netzwerk darf nur über definierte, absolut notwendige und streng überwachte Kanäle erfolgen. Jeglicher Fernzugriff von externen Dienstleistern für die Wartung von OT-Systemen muss über sichere, protokollierte VPN-Verbindungen laufen.

Fallstudie: IT/OT-Konvergenz im TAPA-Audit bei Bureau Veritas

Bei der TAPA-Zertifizierung eines großen Logistikzentrums identifizierten die Auditoren von Bureau Veritas eine unzureichende Trennung der Netzwerke. Auf ihre Empfehlung hin implementierte das Unternehmen separate VLANs für die gesamte Gebäudetechnik. Kritische OT-Komponenten wie die Steuerung der Kühlanlagen wurden in eine Demilitarisierte Zone (DMZ) verlagert. Alle IoT-Geräte wurden in einem isolierten Netzwerksegment betrieben, und strenge Firewall-Regeln blockierten jegliche unautorisierte Kommunikation zum Unternehmensnetz. Diese Maßnahmen waren entscheidend für das Bestehen des Audits.

Besondere Aufmerksamkeit gilt den Standardpasswörtern. Viele OT-Geräte werden mit werksseitig eingestellten, allgemein bekannten Passwörtern ausgeliefert. Ein Auditor wird gezielt prüfen, ob alle Standardpasswörter geändert wurden. Ein Prozess, der sicherstellt, dass bei jeder Neuinstallation eines vernetzten Geräts sofort das Passwort geändert wird, ist für eine Zertifizierung unerlässlich.

Wie verhindern Sie, dass Lagerarbeiter Tipps an Diebesbanden geben?

Die größte Bedrohung für Ihr Lager kommt oft nicht von außen, sondern von innen. Ein Mitarbeiter, der bewusst oder unbewusst Informationen über wertvolle Lieferungen, Sicherheitslücken oder Transportrouten an kriminelle Organisationen weitergibt, hebelt selbst die teuerste Sicherheitstechnik aus. Organisierte Kriminalität ist für einen erheblichen Teil der Verluste verantwortlich, und Insider-Informationen sind ihr wichtigstes Werkzeug. Eine Studie zeigt, dass rund 33% aller Diebstahlschäden auf organisierte Banden zurückzuführen sind, die oft auf Insider-Wissen angewiesen sind.

Die Prävention beginnt mit der Schaffung einer positiven und wachsamen Sicherheitskultur. Mitarbeiter, die sich fair behandelt und wertgeschätzt fühlen, sind weniger anfällig für kriminelle Angebote. Eine offene Kommunikation über die Bedeutung von Sicherheit für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Kunden ist essenziell. Gleichzeitig muss absolute Klarheit über die Konsequenzen von Fehlverhalten herrschen. Das Problem wird dadurch verschärft, dass viele Unternehmen aus Angst vor Imageschäden von einer Anzeige absehen. Wie das Bundesamt für Logistik und Mobilität feststellt, führt dies zu einer hohen Dunkelziffer und ermutigt Täter.

Ein TAPA-Audit fokussiert sich auf konkrete Maßnahmen zur Minimierung des Insider-Risikos. Dazu gehört das „Need-to-know“-Prinzip: Mitarbeiter sollten nur die Informationen erhalten, die sie für ihre unmittelbare Aufgabe benötigen. In einem modernen Warehouse Management System (WMS) kann beispielsweise der genaue Inhalt eines hochsensiblen Pakets anonymisiert werden, sodass der Kommissionierer nur eine Artikelnummer und einen Lagerplatz sieht. Regelmäßige Schulungen zu Social-Engineering-Taktiken, bei denen Kriminelle versuchen, an Informationen zu gelangen, sind ebenfalls Pflicht.

Ihr Aktionsplan: Prävention gegen Insider-Bedrohungen

  1. Sicherheitskultur etablieren: Fördern Sie eine positive Unternehmenskultur durch faire Arbeitsbedingungen, transparente Kommunikation und Anerkennung für sicherheitsbewusstes Verhalten.
  2. Anonymes Meldesystem einführen: Richten Sie eine Whistleblowing-Hotline oder ein digitales System ein, über das Mitarbeiter anonym und ohne Angst vor Repressalien verdächtige Aktivitäten melden können. Ein Belohnungssystem kann die Meldebereitschaft erhöhen.
  3. „Need-to-know“-Prinzip im WMS umsetzen: Konfigurieren Sie Ihr WMS so, dass Mitarbeiter nur auf die für ihre Aufgabe absolut notwendigen Daten zugreifen können. Hochwertige Güter sollten im System pseudonymisiert werden.
  4. Regelmäßige Schulungen durchführen: Sensibilisieren Sie Ihr Personal mindestens jährlich für die Gefahren des Social Engineering und für typische Ausforschungsversuche durch externe Anrufer oder Personen vor Ort.
  5. Mitarbeiter rotieren: Planen Sie eine regelmäßige Rotation von Mitarbeitern in besonders sensiblen Bereichen (z.B. Hochwertlager, Warenausgang) alle 6 bis 12 Monate, um die Bildung von kriminellen Routinen zu erschweren.

Bodenmarkierung oder Barriere: Was schützt Fußgänger wirklich vor dem Gabelstapler?

Die Trennung von Personen- und Fahrzeugverkehr ist ein Grundpfeiler der Lagersicherheit und ein zentraler Prüfpunkt in jedem TAPA-Audit. Farbige Linien auf dem Boden sind ein Anfang, aber sie bieten keinerlei physischen Schutz. In einem hektischen Lagerbetrieb werden sie leicht übersehen oder ignoriert. Die Folgen sind gravierend: Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verzeichnete allein für das Jahr 2023 insgesamt 33.834 meldepflichtige Unfälle mit Gabelstaplern und anderen Flurförderzeugen. Für eine hohe Sicherheitsstufe fordert TAPA daher mehr als nur Farbe.

Ein Auditor erwartet physische Barrieren, wo immer es möglich ist. Das bedeutet, dass Fußwege durch stabile Leitplanken, Poller oder andere massive Abtrennungen vom Fahrweg der Gabelstapler getrennt sein müssen. An Kreuzungspunkten, wo eine vollständige Trennung nicht möglich ist, müssen aktive Sicherheitssysteme zum Einsatz kommen. Dazu gehören beispielsweise selbstschließende Schwingtüren oder Lichtschranken, die ein optisches und akustisches Warnsignal auslösen, wenn sich ein Stapler nähert.

Die moderne Technologie bietet hier weitreichende Möglichkeiten, die über passive Barrieren hinausgehen und von Auditoren sehr positiv bewertet werden. Diese aktiven Systeme zielen darauf ab, Unfälle zu verhindern, bevor sie geschehen, indem sie Fahrer und Fußgänger aktiv warnen oder sogar direkt eingreifen.

Fallstudie: Implementierung aktiver Sicherheitssysteme bei Toyota Material Handling

Toyota hat ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt, das passive und aktive Systeme kombiniert. Dazu gehören kamerabasierte Kollisionswarnsysteme, die Hindernisse erkennen und den Stapler automatisch abbremsen. Das „SpotMe“-System nutzt Infrarotsensoren, um an unübersichtlichen Kreuzungen ein LED-Blitzlicht auszulösen, wenn sich ein Fahrzeug nähert. Zusätzlich projizieren Warnpunktscheinwerfer („Blue Spot“) einen blauen Punkt auf den Boden vor oder hinter dem Stapler, um Fußgänger frühzeitig auf das herannahende Fahrzeug aufmerksam zu machen. Die Implementierung solcher Systeme führt nachweislich zu einer signifikanten Reduktion von Beinahe-Unfällen und Betriebsunterbrechungen.

Für Ihr TAPA-Audit müssen Sie nachweisen, dass Sie das Risiko von Kollisionen systematisch analysiert und die wirksamsten verfügbaren Maßnahmen ergriffen haben. Eine reine Bodenmarkierung wird in Hochrisikobereichen nicht als ausreichend bewertet. Investieren Sie in physische Trennung und aktive Warnsysteme – das schützt nicht nur Menschenleben, sondern sichert auch Ihre Zertifizierung.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein TAPA-Audit prüft nicht nur Technologie, sondern die gesamte operative Denkweise und Sicherheitskultur.
  • Physische, prozessuale, menschliche und digitale Schwachstellen müssen als zusammenhängende Angriffsvektoren betrachtet und systematisch eliminiert werden.
  • Die konsequente Trennung von Bereichen (Perimeter, Fahrerzonen, IT/OT-Netzwerke, Fußgänger/Stapler) ist ein wiederkehrendes Kernprinzip der TAPA FSR.

Wie überwachen Sie 10.000 qm Lagerfläche ohne tote Winkel?

Eine lückenlose Videoüberwachung (CCTV) ist eine Grundvoraussetzung der TAPA FSR. Doch eine große Lagerhalle oder ein weitläufiges Außengelände vollständig abzudecken, ist eine technische Herausforderung. Tote Winkel, also Bereiche, die von keiner Kamera erfasst werden, sind für einen Auditor inakzeptable Schwachstellen. Sie bieten Angreifern die Möglichkeit, unbemerkt Zäune zu überwinden, Ladung zu manipulieren oder sich auf dem Gelände zu verstecken. Die vollständige Eliminierung toter Winkel ist das Ziel.

Der traditionelle Ansatz, einfach mehr statische Kameras zu installieren, ist oft unwirtschaftlich und führt zu einer unüberschaubaren Bilderflut im Kontrollraum. Moderne Überwachungskonzepte setzen daher auf eine Kombination verschiedener Technologien. PTZ-Kameras (Pan-Tilt-Zoom), die sich schwenken, neigen und zoomen lassen, können große Bereiche abdecken. Gekoppelt mit KI-basierter Videoanalyse können sie automatisch Personen oder Fahrzeuge verfolgen, die in gesperrte Zonen eindringen („Line Crossing“) oder sich verdächtig lange in einem Bereich aufhalten („Loitering Detection“).

Für die Überwachung großer Außenbereiche bei allen Wetter- und Lichtverhältnissen sind Kameras allein oft nicht ausreichend. Hier kommen alternative Sensortechnologien ins Spiel. Radarsensoren erkennen Bewegungen zuverlässig auch bei Nebel, starkem Regen oder völliger Dunkelheit und können als Trigger für PTZ-Kameras dienen: Das Radar erkennt eine Bewegung, und die Kamera schwenkt automatisch auf das Ziel, um es zu identifizieren. Thermalkameras sind eine weitere leistungsstarke Ergänzung. Sie detektieren Wärmeunterschiede und können Personen selbst in absoluter Dunkelheit oder bei Tarnung (z.B. im Gebüsch) auf große Entfernung sichtbar machen.

Häufig gestellte Fragen zur Netzwerksicherheit von OT-Systemen

Welche OT-Geräte stellen das größte Risiko für die Netzwerksicherheit dar?

Vernetzte Klimaanlagen, intelligente Beleuchtungssysteme, IP-Kameras älterer Generation, Ladesysteme für Elektrostapler und IoT-basierte Temperatursensoren in Kühlbereichen sind besonders anfällig, da sie oft mit Standardpasswörtern betrieben werden und selten Sicherheitsupdates erhalten.

Wie oft sollten Sicherheitsaudits für OT-Systeme durchgeführt werden?

TAPA empfiehlt mindestens jährliche Sicherheitsaudits für alle OT-Systeme, wobei kritische Systeme quartalsweise überprüft werden sollten. Bei jedem größeren Update oder Systemwechsel ist ein zusätzliches Audit erforderlich.

Welche vertraglichen Sicherheitsgarantien sollten von OT-Lieferanten gefordert werden?

Verpflichtung zur Änderung aller Standardpasswörter bei Installation, garantierte Sicherheitsupdates für mindestens 5 Jahre, dokumentierte VPN-Zugänge für Wartung, Haftungsübernahme bei Sicherheitsvorfällen durch fehlerhafte Produkte und Nachweis einer Cyber-Versicherung.

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Audit liegt im Nachweis eines durchdachten Konzepts. Sie müssen dem Auditor eine Geländekarte vorlegen, auf der alle Kamerastandorte, ihre Sichtfelder und die durch andere Sensoren abgedeckten Bereiche eingezeichnet sind. Nur so können Sie belegen, dass jeder Quadratmeter Ihres Geländes unter Beobachtung steht.

Um die TAPA FSR-Zertifizierung zu erreichen und zu halten, ist ein Paradigmenwechsel erforderlich: weg von einer reaktiven, isolierten Maßnahmenlogik hin zu einer proaktiven, integrierten Sicherheitskultur. Qualifizieren Sie Ihr Unternehmen für die anspruchsvollsten Logistikaufträge, indem Sie beweisen, dass Sicherheit in Ihrer operativen DNA verankert ist.

Geschrieben von Jens Jens Hoffmann, Logistikmeister und Experte für Lagerlogistik, Intralogistik und Arbeitssicherheit. 18 Jahre Erfahrung in der Planung und operativen Leitung von Hochregallagern und Fulfillment-Centern.