Veröffentlicht am April 12, 2024

Die gesetzliche Standardhaftung ist kein Schutzschild, sondern der häufigste Grund für finanzielle Verluste bei Transportschäden. Der Spediteur haftet fast nie für den vollen Wert Ihrer Ware.

  • Die Haftungsgrenze von 8,33 Sonderziehungsrechten (SZR) deckt oft weniger als 5 % des tatsächlichen Warenwerts.
  • Eine unzureichende Verpackung oder fehlerhafte Dokumentation führt zum vollständigen Verlust Ihres Anspruchs, selbst wenn der Spediteur den Schaden verursacht hat.

Empfehlung: Verlassen Sie sich niemals auf die Standardhaftung. Prüfen Sie vor jedem hochwertigen Versand Ihre Verträge und sichern Sie den vollen Warenwert über eine separate Warentransportversicherung ab.

Ein Anruf, den jeder Versandleiter und E-Commerce-Händler fürchtet: Der Kunde meldet, dass die lang ersehnte Lieferung beschädigt angekommen ist. Der erste Gedanke ist oft: „Kein Problem, der Spediteur hat es beschädigt, also muss er dafür haften.“ Man greift zur Kamera, dokumentiert den Schaden und stellt einen Regressanspruch. Doch Wochen später kommt die ernüchternde Antwort: Statt der geforderten 5.000 € für die beschädigte Maschine überweist die Versicherung des Spediteurs lediglich 250 €. Ein Schock, der leider transportrechtlicher Alltag ist.

Die bittere Wahrheit, die viele Versender erst durch schmerzhafte Verluste lernen, ist: Das deutsche Handelsgesetzbuch (HGB) ist primär darauf ausgelegt, den Frachtführer zu schützen, nicht den Versender. Die gesetzliche Haftung ist keine Vollkaskoversicherung, sondern ein juristisches Minenfeld voller Haftungsfallen, Haftungsbegrenzungen und strenger Formvorschriften. Wer diese Fallstricke nicht kennt, subventioniert unfreiwillig die Risiken der Transportbranche und bleibt auf seinen Kosten sitzen.

Doch wenn die Standardhaftung nur eine Illusion von Sicherheit ist, wie können Sie sich dann wirklich schützen? Die Antwort liegt nicht darin, nach einem Schadenfall zu reagieren, sondern proaktiv zu agieren. Es geht darum, die juristischen Hebel zu verstehen, die Ihnen als Versender zur Verfügung stehen – von der Wahl der richtigen Incoterms über wasserdichte Verpackungsprotokolle bis hin zu gezielten Vertragsklauseln, die die Haftung zu Ihren Gunsten verschieben. Dieser Artikel ist kein allgemeiner Ratgeber, sondern eine anwaltliche Warnung und eine strategische Anleitung. Wir decken die stillschweigend genutzten Lücken im System auf und zeigen Ihnen präzise, wie Sie die Kontrolle zurückgewinnen und sicherstellen, dass im Schadensfall nicht Sie, sondern der Verursacher die finanzielle Verantwortung trägt.

Dieser Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt durch die kritischsten Aspekte der Transporthaftung. Wir analysieren die verborgenen Risiken und geben Ihnen konkrete, rechtssichere Strategien an die Hand, um Ihr Unternehmen vor teuren Verlusten zu schützen.

Warum die Standardhaftung von 8,33 SZR oft nur einen Bruchteil des Werts deckt

Hier lauert die erste und größte Kostenfalle für Versender: die gesetzliche Haftungsbegrenzung nach § 431 HGB. Viele glauben fälschlicherweise, der Frachtführer hafte für den vollen Wert der Ware. In Wahrheit ist die Haftung auf 8,33 Sonderziehungsrechte (SZR) pro Kilogramm Rohgewicht der Sendung begrenzt. Das SZR ist eine künstliche Währung des Internationalen Währungsfonds, deren Wert täglich schwankt. In der Praxis bedeutet dies, dass die Haftung oft dramatisch niedrig ausfällt. Nach aktuellen Kursen entsprechen die gesetzlichen 8,33 SZR nur etwa 10,25 € pro Kilogramm. Diese Regelung wird zur Katastrophe, wenn Sie leichte, aber wertvolle Güter versenden.

Praxisbeispiel: Der zerstörte Laptop

Ein 2 kg schwerer Business-Laptop im Wert von 3.000 € wird beim Transport zerstört. Die Standardhaftung von 8,33 SZR deckt bei einem Kurs von 1,23 € pro SZR nur einen Schaden von 20,50 € ab (2 kg × 10,25 €). Der Versender erleidet einen Verlust von 2.979,50 €, was über 99 % des Warenwerts entspricht. Der Spediteur hat seine gesetzliche Pflicht erfüllt, der Versender trägt den Schaden.

Diese Haftungsbegrenzung gilt immer, es sei denn, der Frachtführer oder seine Leute haben den Schaden vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, herbeigeführt (qualifiziertes Verschulden nach § 435 HGB). Dies nachzuweisen ist in der Praxis extrem schwierig und erfordert oft kostspielige Gerichtsverfahren. Sich darauf zu verlassen, ist eine hochriskante Strategie. Die Standardhaftung ist somit kein Schutz, sondern ein kalkuliertes Geschäftsrisiko, das Sie als Versender tragen.

Wie Sie einen Schaden bei Anlieferung beweisen, damit die Versicherung zahlt

Selbst wenn ein Schaden offensichtlich vom Transport herrührt, zahlt eine Versicherung nur, wenn Sie den Schaden lückenlos und formgerecht nachweisen können. Die Beweislast liegt hierfür vollständig bei Ihnen als Empfänger oder Versender. Ein paar schnell geschossene Handyfotos reichen oft nicht aus. Ein formeller Fehler in der Schadensmeldung kann Ihren gesamten Anspruch zunichtemachen. Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen einem offenen und einem verdeckten Schaden. Ein offener Schaden (z.B. ein zerrissener Karton) muss sofort bei Anlieferung auf dem Frachtbrief oder dem Handscanner des Fahrers vermerkt werden. Eine pauschale Notiz wie „unter Vorbehalt“ ist rechtlich wertlos; der Schaden muss konkret benannt werden („Karton eingedrückt“, „Ware beschädigt“).

Nahaufnahme von Händen, die mit einem Smartphone einen Transportschaden an einer Verpackung fotografieren, um Beweise zu sichern.

Die größere Falle lauert jedoch bei verdeckten Schäden, die erst nach dem Auspacken sichtbar werden. Hier tickt eine gnadenlose Uhr. Für nicht sofort erkennbare Schäden haben Sie normalerweise nur 7 Tage nach Ablieferung Zeit, um den Schaden schriftlich beim Frachtführer zu melden. Versäumen Sie diese Frist, wird gesetzlich vermutet, dass die Ware in einwandfreiem Zustand geliefert wurde, und Ihr Anspruch ist verloren. Diese Schadensanzeige muss präzise sein: Sie muss den Schaden detailliert beschreiben und deutlich machen, dass der Schaden wahrscheinlich während des Transports entstanden ist. Nur so können Sie eine Beweislastumkehr zu Ihren Gunsten verhindern.

Ab Werk oder Frei Haus: Welcher Incoterm schützt Sie besser vor Verlust?

Die Wahl der richtigen Lieferklausel (Incoterm) ist ein strategisches Instrument, das entscheidet, wer das Transportrisiko und die Kosten trägt. Viele Händler wählen Incoterms aus Gewohnheit, ohne die vollen Konsequenzen für die Haftung zu verstehen. Die zentrale Frage ist immer: An welchem Punkt geht die Gefahr des Verlusts oder der Beschädigung vom Verkäufer auf den Käufer über? Als Versender (Verkäufer) gibt Ihnen die Wahl bestimmter Klauseln deutlich mehr Kontrolle und Sicherheit.

Klauseln wie EXW (Ex Works / Ab Werk) sind für den Verkäufer auf den ersten Blick bequem, aber riskant. Sie übergeben die gesamte Kontrolle über den Transport an den Käufer. Sie wissen nicht, welchen Spediteur er wählt oder ob die Ware ausreichend versichert ist. Kommt es zu einem Schaden, sind Sie aus der Haftung, aber ein unzufriedener Kunde, der auf seinem Schaden sitzen bleibt, ist ein Geschäftsrisiko. Klauseln der D-Gruppe wie DAP (Delivered at Place / Geliefert benannter Ort) oder DDP (Delivered Duty Paid / Geliefert verzollt) geben Ihnen als Verkäufer die volle Kontrolle. Sie wählen den Spediteur, Sie kontrollieren die Versicherung und Sie stellen sicher, dass die Ware sicher ankommt. Dies erhöht zwar Ihren organisatorischen Aufwand, minimiert aber das Risiko von Kundenbeschwerden und finanziellen Verlusten durch unzureichend versicherte Transporte.

Die folgende Tabelle zeigt, wie sich der Gefahrenübergang und die Kontrolle je nach Incoterm verschieben. Für einen Verkäufer, der maximalen Schutz anstrebt, sind DAP und DDP die strategisch klügere Wahl.

Vergleich der Incoterms bezüglich des Transportrisikos
Incoterm Gefahrenübergang Kontrolle über Spediteur Versicherungskontrolle
EXW (Ab Werk) Bei Abholung Käufer wählt Käufer bestimmt
FCA (Frei Frachtführer) Bei Übergabe an ersten Frachtführer Käufer wählt Hauptfrachtführer Käufer bestimmt
DAP (Geliefert benannter Ort) Bei Ankunft am Bestimmungsort Verkäufer wählt Verkäufer bestimmt
DDP (Geliefert verzollt) Bei Übergabe an Käufer Verkäufer wählt Verkäufer bestimmt

Doch Vorsicht, selbst der beste Incoterm schützt Sie nicht vor allen Pflichten. Wie die Deutsche Anwaltshotline in einem Fachartikel zum Transportrecht betont:

Die Haftung für die verkehrssichere Verladung nach § 412 HGB bleibt unabhängig vom gewählten Incoterm beim Absender, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde.

– Deutsche Anwaltshotline, Fachartikel Transportrecht

Das bedeutet, dass Sie als Versender trotz einer DAP- oder DDP-Klausel immer noch dafür verantwortlich sind, dass die Ware sicher im LKW verstaut wird. Ein Fehler hier kann trotz gefahrenverlagerndem Incoterm auf Sie zurückfallen.

Der Verpackungsfehler, der Ihren Versicherungsschutz sofort nullifiziert

Einer der häufigsten, aber am meisten unterschätzten Gründe für die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen ist der Vorwurf der unzureichenden oder mangelhaften Verpackung (§ 427 HGB). Wenn der Frachtführer nachweisen kann, dass die Verpackung nicht für die Beanspruchungen eines normalen Transports geeignet war, ist er von seiner Haftung befreit. Die Beweislast liegt zwar zunächst beim Spediteur, doch in der Praxis wird dieser Vorwurf schnell erhoben und ist für den Versender schwer zu entkräften, wenn keine lückenlose Dokumentation vorliegt.

Was eine „geeignete“ Verpackung ist, ist nicht pauschal definiert. Sie muss die Ware vor den typischen Risiken wie Stößen, Vibrationen, Druck und klimatischen Einflüssen schützen. Ein einfacher Karton für eine schwere Maschine reicht nicht aus. Es braucht Polstermaterial, Kantenschutz und möglicherweise eine Palette. Ein besonders heikler Punkt ist die „rügelose Übernahme“. Übernimmt der Fahrer eine Sendung, deren Verpackung offensichtlich mangelhaft ist, ohne dies zu vermerken, kann er sich später nicht mehr auf die mangelhafte Verpackung berufen. Doch wehe, der Mangel war nicht sofort sichtbar! Dann bleibt das volle Risiko bei Ihnen.

Fallstudie: Die rügelose Übernahme als Haftungsfalle

Ein Frachtführer übernimmt sichtbar schlecht auf einer Palette gesicherte Elektronikware, ohne einen Vermerk auf dem Frachtbrief zu machen. Die Ware verrutscht während des Transports und wird beschädigt. Der Spediteur versucht, sich auf mangelhafte Verpackung zu berufen. Der Versender kann jedoch nachweisen, dass der Mangel offensichtlich war und der Fahrer ihn hätte rügen müssen. Da er dies unterlassen hat, gilt die Verpackung als akzeptiert und der Spediteur haftet voll.

Um dem Vorwurf der mangelhaften Verpackung von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist ein detailliertes Verpackungsprotokoll unerlässlich. Dokumentieren Sie jeden Schritt, um im Schadensfall unangreifbar zu sein.

Ihr 5-Punkte-Plan zur lückenlosen Verpackungsdokumentation

  1. Fotografieren: Machen Sie Fotos von jeder Seite des fertig verpackten Kartons oder der Palette vor der Abholung.
  2. Innenleben dokumentieren: Erstellen Sie Detailaufnahmen des verwendeten Füll- und Polstermaterials, die zeigen, wie die Ware im Inneren gesichert ist.
  3. Packliste erstellen: Führen Sie eine detaillierte Packliste, die nicht nur den Inhalt, sondern auch die spezifischen Sicherungsmaßnahmen beschreibt (z.B. „mit 2 Lagen Luftpolsterfolie umwickelt“).
  4. Bestätigung einholen: Lassen Sie sich die einwandfreie Übernahme der verpackten Ware vom Fahrer schriftlich auf dem Frachtbrief bestätigen. Ein einfacher Haken bei „Verpackung ok“ reicht.
  5. Archivieren: Speichern Sie alle Fotos und Dokumente digital mit einem Zeitstempel und bewahren Sie diese für mindestens zwei Jahre auf.

Wann können Sie den Subunternehmer für Verspätungsschäden belangen?

In der modernen Logistik ist der Einsatz von Subunternehmern die Regel, nicht die Ausnahme. Ihr beauftragter Spediteur gibt den Auftrag oft an einen oder mehrere weitere Frachtführer weiter. Was passiert also, wenn der Fahrer des Subunternehmers den Schaden verursacht oder eine wichtige Lieferfrist reißt? Viele Versender versuchen dann, direkt den ausführenden Fahrer oder dessen Firma in Regress zu nehmen. Dies ist jedoch ein juristischer Irrweg.

Die IT-Recht Kanzlei München stellt in einem Beitrag zu Transportrisiken unmissverständlich klar:

Ihr Vertragspartner ist immer der Hauptfrachtführer. Ein direkter Anspruch gegen den Subunternehmer ist rechtlich fast immer ausgeschlossen.

– IT-Recht Kanzlei München, Transportrisiken im Online-Handel

Das bedeutet: All Ihre Ansprüche, sei es für Beschädigung oder Verspätung, müssen Sie gegen Ihren direkten Vertragspartner, den Hauptfrachtführer, geltend machen. Dieser muss sich dann wiederum mit seinem Subunternehmer auseinandersetzen. Das ist für Sie zwar organisatorisch einfacher, hat aber den Nachteil, dass Ihr Vertragspartner die gleichen Haftungsbegrenzungen (8,33 SZR) gegen Sie geltend machen kann. Ein weiterer kritischer Punkt sind Verspätungsschäden. Wenn durch eine verspätete Lieferung ein nachweisbarer finanzieller Schaden entsteht (z.B. Vertragsstrafe, Produktionsausfall), ist die Haftung des Frachtführers ebenfalls streng limitiert. Bei Lieferfristüberschreitung beträgt der maximale Schadensersatz nach § 423 HGB in der Regel nur die Höhe der vereinbarten Fracht. Haben Sie also 300 € Fracht bezahlt, bekommen Sie auch bei einem nachgewiesenen Schaden von 10.000 € maximal 300 € zurück. Eine Ausnahme besteht nur, wenn ein „qualifizierter Fixtermin“ mit einem besonderen Interesse an der pünktlichen Lieferung schriftlich vereinbart wurde, was die Haftung auf das Dreifache der Fracht erhöhen kann.

Was ist in der „All Gefahren“-Deckung wirklich ausgeschlossen?

Wer sich für eine separate Warentransportversicherung entscheidet, stößt schnell auf den Begriff der „All-Gefahren-Deckung“ (All-Risk-Police). Dieser Name suggeriert einen lückenlosen Rundumschutz gegen absolut jedes erdenkliche Risiko. Das ist jedoch ein gefährlicher Trugschluss. Auch die umfassendste Police enthält eine Reihe von Standardausschlüssen, die den Versicherungsschutz erheblich einschränken können. Der Teufel steckt, wie so oft im Versicherungsrecht, im Kleingedruckten der Versicherungsbedingungen (DTV-Güterversicherungsbedingungen).

Eine „All-Gefahren-Deckung“ funktioniert nach dem Prinzip der unbenannten Gefahren. Das bedeutet: Alles ist versichert, was nicht explizit ausgeschlossen ist. Genau diese Ausschlussklauseln müssen Sie als Versender kennen. Werden Ihre Waren beispielsweise durch einen Streik im Hafen blockiert und verderben, ist dies in der Regel nicht gedeckt. Ebenso sind Schäden durch Krieg, Kernenergie oder die „natürliche Beschaffenheit“ der Ware (z.B. innerer Verderb von Obst) klassische Ausschlüsse.

Besonders kritisch ist der Ausschluss für unzureichende oder ungeeignete Verpackung. Selbst mit der teuersten All-Risk-Police wird die Versicherung die Zahlung verweigern, wenn die Verpackung nicht den Transportanforderungen entsprach. Die Versicherung verlagert die Verantwortung für die transportsichere Verpackung vollständig auf den Versicherungsnehmer. Typische Ausschlüsse in All-Gefahren-Policen umfassen:

  • Krieg, Bürgerkrieg und kriegsähnliche Ereignisse (sogenannte SRCC-Klauseln)
  • Streiks, Aussperrungen, Arbeitsunruhen und terroristische Akte
  • Schäden durch Kernenergie und radioaktive Strahlung
  • Innerer Verderb und die natürliche Beschaffenheit der Ware
  • Verzögerungen der Reise (Folgeschäden aus Verspätungen)
  • Normale Luftfeuchtigkeit und gewöhnliche Temperaturschwankungen
  • Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers selbst (z.B. wissentlich falsche Deklaration)

Welche Bußgelder drohen, wenn Sie Ihre Sorgfaltspflicht ignorieren?

Die Haftung bei Transportschäden beschränkt sich nicht nur auf den reinen Warenwert. Ein viel größeres finanzielles Risiko entsteht, wenn Sie als Versender Ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten verletzen. Diese Pflichten gehen weit über eine ordentliche Verpackung hinaus und umfassen insbesondere die korrekte Deklaration der Ware und die Mitwirkung an einer verkehrssicheren Verladung. Verstöße können nicht nur zivilrechtliche Haftungsansprüche, sondern auch empfindliche Bußgelder und im schlimmsten Fall sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Ein klassisches Beispiel ist die mangelhafte Ladungssicherung. Obwohl die Durchführung oft dem Fahrer obliegt, haben Sie als Verlader eine Mitverantwortung. Wenn Sie erkennen, dass die Ladung nicht ausreichend gesichert ist, müssen Sie intervenieren. Verstöße gegen § 22 StVO bei mangelhafter Ladungssicherung führen zu Bußgeldern plus Punkten in Flensburg für den Fahrer, den Fahrzeughalter und eben auch für den Verlader. Ein noch größeres Risiko stellt die falsche Deklaration von Gefahrgut dar. Wer gefährliche Stoffe wissentlich oder fahrlässig falsch oder gar nicht deklariert, um Kosten zu sparen, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit sechsstelligen Bußgeldern geahndet werden kann. Kommt es zu einem Unfall mit Umweltschäden, haften Sie als Versender unbegrenzt mit Ihrem gesamten Betriebsvermögen.

Fallstudie: Der Millionenschaden durch falsche Gefahrgutdeklaration

Ein mittelständisches Chemieunternehmen deklarierte eine entzündliche Flüssigkeit (Gefahrgutklasse 3) fälschlicherweise als ungefährliche Ware, um einen günstigeren Frachttarif zu erhalten. Bei einem Auffahrunfall des LKW trat die Chemikalie aus und entzündete sich. Die Behörden verhängten ein Bußgeld von 180.000 € wegen Verstoßes gegen die Gefahrgutverordnung (GGVSEB). Weitaus schlimmer: Für die entstandenen Umweltschäden und die aufwendige Reinigung des kontaminierten Erdreichs in Millionenhöhe wurde das Unternehmen vollumfänglich haftbar gemacht, da die Versicherung aufgrund der Falschdeklaration die Deckung verweigerte.

Das Wichtigste in Kürze

  • Verlassen Sie sich nie auf die Standardhaftung: Die gesetzliche Haftung von 8,33 SZR (ca. 10 €/kg) ist eine Haftungsfalle, die bei leichten, teuren Gütern zu fast 100%igem Verlust führt.
  • Dokumentation ist Ihre schärfste Waffe: Nur eine lückenlose, form- und fristgerechte Dokumentation von Verpackung und Schaden sichert Ihre Ansprüche. Die Beweislast liegt bei Ihnen.
  • Die Versicherung ist der einzige echte Schutz: Nur eine separate Warentransportversicherung („All-Gefahren-Deckung“) schließt die Deckungslücke und sichert den vollen Warenwert ab.

Wie schließen Sie die Lücke zwischen 8,33 SZR Haftung und 50.000 € Warenwert?

Nachdem die gravierende Lücke der Standardhaftung offensichtlich ist, stellt sich die entscheidende Frage: Wie können Sie eine hochwertige Sendung im Wert von beispielsweise 50.000 € effektiv absichern? Es gibt grundsätzlich zwei Wege, die Haftungssumme zu erhöhen, die sich in Kosten, Deckungsumfang und Sicherheit erheblich unterscheiden: die Höherdeklaration des Warenwerts und der Abschluss einer separaten Warentransportversicherung. Die Höherdeklaration nach § 449 HGB ist eine Vereinbarung mit dem Frachtführer, bei der ein höherer Warenwert gegen einen Frachtzuschlag deklariert wird. Dies erhöht die Haftungsgrenze, oft auf bis zu 40 SZR pro Kilogramm, deckt aber immer noch nicht den vollen Wert und ist mit verhältnismäßig hohen Kosten verbunden.

Die weitaus sicherere und oft sogar kostengünstigere Methode ist der Abschluss einer eigenen Warentransportversicherung. Diese Police ist unabhängig vom Spediteur und deckt den vollen Warenwert (oft sogar plus einen imaginären Gewinn von 10%). Sie bietet Schutz vor einer Vielzahl von Gefahren (je nach Police als „All-Risk-Deckung“) und vereinfacht die Schadensabwicklung erheblich, da Sie direkt mit Ihrer eigenen Versicherung kommunizieren und nicht den Umweg über den Spediteur gehen müssen.

Die Esser Kanzlei hebt einen weiteren entscheidenden Vorteil hervor:

Eine gute Warentransportpolice deckt nicht nur den reinen Warenwert, sondern auch Valoren wie Folgekosten, entgangenen Gewinn oder Bergungskosten ab.

– Esser Kanzlei, Haftung und Versicherung in der Kontraktlogistik

Der Kostenvergleich macht die Entscheidung meist einfach:

Kostenvergleich: Höherdeklaration vs. Transportversicherung
Lösung Kosten Deckungshöhe Vorteile Nachteile
Standardhaftung 8,33 SZR Keine Zusatzkosten Ca. 10,25 €/kg Kostengünstig Minimaler Schutz, hohes Risiko
Höherdeklaration auf 40 SZR Ca. 0,5-1% des Warenwerts Ca. 49,20 €/kg Direkte Frachtführerhaftung Immer noch begrenzt, teuer
Warentransportversicherung Ca. 0,08-0,2% des Warenwerts Voller Warenwert plus Nebenkosten Vollständiger Schutz, All-Risk möglich Zusätzliche Police nötig

Die Auseinandersetzung mit Transportschäden endet nicht mit einer Versicherung. Sie beginnt mit der Gestaltung rechtssicherer Verträge. Analysieren Sie daher noch heute Ihre Versandprozesse und prüfen Sie Ihre Verträge auf diese Haftungsrisiken. Handeln Sie, bevor der nächste Schadenfall eintritt – denn dann ist es zu spät.

Geschrieben von Andreas RA Andreas Vogel, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht. Spezialisiert auf Haftungsfragen, Versicherungsschäden und Vertragsrecht in der Logistikbranche mit 14 Jahren Kanzleierfahrung.